Eins Werden. Tourismusvision für eine Reise in die Wachau
Und bereits die Tatsache, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser – zugegeben allein durch das Lesen des Untertitels von mir gedanklich bereits dazu verleitet – in die Wachau reisen und nicht fahren, bedeutet bereits, dass Sie sich in meiner Vision befinden. Denn wer reist heute schon in die Wachau?
Man fährt nach Krems: zu Ausstellungen, die man gesehen haben soll, zu Festivals, die man besucht haben soll. Man fährt nach Dürnstein, Weißenkirchen, Spitz, Mautern, Emmersdorf, Melk – vielleicht sogar einem Geheimtipp folgend nach Rossatz oder andernorts in der Region: zu Lokalen, in denen man gegessen haben soll, zu Winzern, deren Wein man probiert haben soll. Man fährt nach Melk: zum Stift, das man fotografiert haben soll, durch dessen Bibliothek man gegangen sein soll, auf dessen Altane man gestanden haben soll.
Man fährt durch die Wachau mit dem Auto: einen Zwischenstopp in Dürnstein einplanend, die Marillenblüte bewundernd, wenn die Marillenbäume blühen, Marillen kaufend, wenn sie am Straßenrand feil geboten werden, und immer die Donau auf der einen und die Trockensteinmauern auf der anderen Seite im Blick, aber nur wenn es schön ist, bei offenem Fenster und sich deutlich unter der erlaubten Maximalgeschwindigkeit vorwärts bewegend, den Stau hinter sich ignorierend, denn vor einem staut ohnehin ein anderer Wachaubesucher den Verkehr mit dem selben Bedürfnis nach Landschaftsbetrachtung.
Man fährt durch die Wachau mit dem Fahrrad: mehr oder weniger sportlich in einem Tag durch, um auch diesen Radweg gefahren zu sein, mehr oder weniger genießerisch in zwei Tagen mit einer Übernachtung in einem der Wachauorte, um bei einem Heurigenbesuch und einigen Zwischenstopps unterwegs ein wenig Mariandl-Nostalgie zu schnuppern.
Man fährt durch die Wachau mit dem Schiff und der Bahn: sieht und konsumiert und verlässt die Region mit dem Gefühl, alles gesehen und konsumiert zu haben: die Rieden, die Orte, die Kirchen, den Fluss, den Wein und die Laberln.
Aber Sie fahren in meiner Vision eben nicht in und durch die Wachau. Sie reisen in dieses 2000 zum Weltkulturerbe ernannte Donautal, und eine Reise ist im Gegensatz zu einer Fahrt mit einem längeren Aufenthalt in der als Reiseziel auserkorenen Region verbunden. Und als Reiseziel mit wunderbaren Orten, einzigartigen Kunstschätzen, großartigen Weinen, topp Gastronomie- und Übernachtungsbetrieben und darüber hinaus mit einer Vielzahl an unterschiedlichen qualitativ hochwertigen Kulturangeboten präsentiert sich die Wachau seit 2014. Als „Minitoskana“ wird die Wachau auf Grund dieser Dichte an Sehenswürdigkeiten und interessanten Ausflugszielen innerhalb eines rund 35 Kilometer langen Flusstales seither auch gerne bezeichnet.
Und weil Sie sich länger in der Wachau aufhalten möchten, lassen Sie Ihr Auto zuhause und reisen mit dem Zug an nach Krems oder Melk und von dort weiter zu Ihrem Quartier mit einem der barrierefreien Wachaubusse, die seit 2012 auf beiden Seiten der Donau und auch hinauf nach Mühldorf sieben Tage die Woche verkehren. Seit 2015 (wir befinden uns in einer Vision) tun sie dies sogar im Viertelstundentakt, womit Sie sich keine Sorgen machen müssen, den Bus rechtzeitig zu erreichen, auch wenn Sie am Bahnhof noch eine Toilette aufsuchen müssen oder gemütlich einen Kaffee trinken möchten.
Ihr Quartier ist seit 2011 Wachauer Qualitätspartner und damit seit heuer verpflichtet, ausschließlich biologisch und nachhaltig erzeugte Produkte zu verwenden, vorzugsweise aus der Wachau beziehungsweise aus dem näheren regionalen Umfeld. Das wurde unter anderem dadurch möglich, dass die Wachauer Traditionswinzer sich 2015 völlig unerwartet dazu durchgerungen haben, auf rein biologischen Weinbau umzustellen. Dieser radikalen Veränderung schlossen sich dann auch die meisten Marillenbauern an. Safrananbau oder Schafszucht waren ohnehin schon zu jener Zeit biologisch in der Wachau. Aber auch in der Möblierung werden nur Tischler aus der Region engagiert, die meist nach Plänen von Studenten und Absolventen der New Design Universität in St. Pölten die Wirtsstuben und Gästezimmer aus in der Region geschlagenen Hölzern anfertigen.
Mit dem Zimmerschlüssel erhalten Sie eine Mobilitätskarte für die Wachau, mit der Sie seit 2015 alle Linienbusse, Züge und Fähren sowie das dichte Radverleihsystem Nextbike (erfolgreich gestartet 2010 mit rund 140 Rädern und nun mit rund 1.000 Rädern in der Wachau und Umgebung an allen wichtigen Knotenpunkten vertreten) zwischen Grein und Tulln, Horn und St. Pölten kostenfrei nutzen können.
Auf Ihrem Zimmer finden Sie den 2012 erstmals aufgelegten Regionsreiseführer, der Ihnen einen ersten Überblick über das reichhaltige kulturtouristische Angebot in der Wachau gibt, Wanderkarte und kulinarische Tipps inklusive. Vor allem befindet sich in allen Zimmern und damit auch in Ihrem eine kleine Wachau-Bibliothek u.a. mit dem „Welter besteig“ Band aus dem Jahr 2011 (mittlerweile in der fünften Auflage erschienen), dem „Donauweiber Band“ aus dem Jahr 2012 (mittlerweile in der achten Auflage erschienen) oder dem gerade frisch herausgebrachten „Kirchturmdenker Wachau. Geschichten mit Aussicht“ sowie den Bänden eins bis sieben von „Draußen in der Wachau“ – wovon der vierte Band bereits in der zehnten. Auflage herausgebracht wurde. „Sie können alle diese Bücher bei uns auch erwerben“, erklärt Ihnen der Hausherr stolz, in seiner mit Bildern aus der Artothek gestalteten Rezeption, als Sie sich auf den Weg hinaus in den Garten befinden.
Das erste Glas Wein. Ein Geschenk des Hauses. Sie blicken über die Straße hinaus auf die Donau. Es ist erstaunlich ruhig. Die Straßen in der Wachau sind seit 2015 nur mehr für den Anrainerverkehr geöffnet. Die Busse fahren mit Strom, wie auch die meisten Wachauer nach einer erfolgreichen Emobilitätsoffensive des Landes auf elektrisch betriebene Autos umgestiegen sind. Deren Strom wird seit 2016 mittels Strombojen aus Donaukraft gewonnen – ohne Staumauer und ohne Beeinträchtigung von Sichtachsen und historischer Ensemble, beides für ein Weltkulturerbe wesentliche Faktoren.
Der Anfang wäre schwer gewesen, erzählt der Hausherr, sich mit einem Glas Marillennektar zu ihnen an den Tisch setzend. Man hätte in den ersten drei Jahren eben zuviel auf Marketing gesetzt und nicht darauf geschaut, dass es ordentlich funktioniert, beschreibt der Hausherr den Beginn eines Umdenkens, das letztlich dazu geführt habe, dass die Wachau nun zu den führenden E-Mobilitätsregionen Europas zähle. Viele, so betont der Hausherr nicht ohne Stolz, kämen nur wegen der Emobilität in die Wachau.
Und auch das mit den Bussen sei eine Erfolgsgeschichte. Auch er, gibt der Hausherr offen zu, sei in den ersten Jahren kein einziges Mal in einen der Busse eingestiegen. Er war es eben gewohnt gewesen, mit dem Auto zu fahren. Doch dann hat man Ende 2014 überlegt, das damals bereits gut angenommene, aber vor allem von Gästen frequentierte öffentliche Verkehrsangebot zu kürzen. Valorisiert habe man, schmunzelt der Hausherr, und natürlich hätte es dann Verbindungen gegeben, die kaum wer genutzt habe. Die Busse am Abend zum Beispiel, oder die auf den Jauerling. Und auch im Winter, wenn keine Gäste da waren, wären die Busse oft leer unterwegs gewesen. Aber dann habe das Land erkannt, entweder man setze auf öffentlichen Verkehr, und dann müsse man es ordentlich machen, oder man pfeife drauf, schildert der Hausherr den Entscheidungsprozess. Und gemeinsam mit der Region habe das Land sich zum Glück durchgerungen, es trotz Geldsorgen und enger Budgets in der Wachau ordentlich zu machen. In Wien, so zitiert der Hausherr einen damals offenbar häufig verwendeten Vergleich, würde auch kaum jemand die U-Bahn benützen, wenn sie im Stundentakt daher kommen würde. Und nun führe auch er mit dem Bus, bekennt der Hausherr nicht ohne Stolz. Auf seine alten Tage, scherzt der Mitsechziger, wäre er nun fast so was wie ein „Öko“ geworden, um dann mit ernster Miene hinzuzufügen, dass er ohnehin lang genug das Erbe der Kinder verjuxt habe, in einem Nachsatz seine Hoffnung bekundend, dass Sie schon wissen würden, was er damit meine.
Die Kurzinfo der Documenta 14 liegt auf allen Tischen auf, denn die Wachau ist einer der Nebenschauplätze der Weltkunstschau in diesem Jahr. Der Hausherr findet das bemerkenswert wegen der großen medialen Präsenz vor allem in Deutschland – einem wichtigen touristischen Markt, wie er betont – und er zeigt Ihnen auf der Wachaukarte die Ausstellungsorte dieser beeindruckenden Kunstschau mit dem Schwerpunkt auf die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Donauraum. Zentrum sei Krems mit all den vielen Ausstellungsräumen: von Kunsthalle über Forum Frohner und das Museum „Zeitkunst“ bis zu den Galerien Stadtpark oder Göttlicher. Aber auch die desolaten Messehallen würden bespielt, die Minoritenkirche, der Stadtpark und die Donaulände, der Campus der Donauuniversität, mehrere Geschäftslokale in Krems und Stein und selbst die Strafanstalt Stein habe man in das Projekt einbinden können. Ein besonderer Tipp sei die Installation in der Göttweigerhof Kapelle, meint der Hausherr, oder vielleicht auch die Performance in und um die Gozzoburg. Doch das Programm beschränke sich nicht nur auf Krems. Entlang des gesamten Welterbesteigs Wachau, jenes 2010 eröffneten Rundwanderwegs, befänden sich unterschiedlichste künstlerische Positionen, wobei hier erste Arbeiten bereits 2013 aufgestellt worden seien, als das Projekt Documenta noch gar nicht zur Debatte gestanden wäre. Heute wären sie längst beliebte Fotopoints von Wachaubesuchern wie jene überdimensionale Nase der Künstlergruppe Gelitin in St. Lorenz oder der Spitzer Spitz von Gottfried Bechtold.
In der Nacht müsse man mit dem Sonder-Bus um 22.00 Uhr durch die Wachau fahren, empfiehlt der Hausherr, geröstete Mandeln auf den Tisch stellend – Mandeln würden seit 2015 in der Wachau wieder intensiver kultiviert, nachdem Madelbäume in früheren Zeiten ein fixer Bestandteil fast jedes Lesehofs in der Wachau waren. Slowligth Region sei man nämlich auch – und das sei schön, betont der Hausherr. Es wäre schon verrückt, erinnert sich der Hausherr, und er steckt sich dabei selbst eine Mandel in seinen Mund, er habe ja gar nichts von dem Slowlight gehalten. Eine Vorarlberger Künstlerin sei da gekommen, in manchen Orten habe sie schon ziemlich für Unruhe gesorgt, und einer der Bürgermeister wollte schon gar nicht mehr mit ihr reden. Es wären halt schon Spinner, die Künstler, meint der Hausherr, aber letztlich sei es jetzt in der Nacht viel schöner in der Wachau. Nicht mehr so hell, wäre es, weil diese Künstlerin, so erzählt der Hausherr, die letzten Mandelreste mit seinem Marillensaft hinunterspülend, habe die Leute in der Wachau sensibilisert, dass man nicht alles anleuchten müsse. Wie schön es doch sei, wenn es dunkel sei in der Nacht. In der Wachau, berichtet der Hausherr stolz, könne man neben einer Kirche oder einem anderen angeleuchteten Gebäude stehen, und man sehe trotzdem noch die Sterne am Himmel. Auf der Spitzer Lände müssen Sie unbedingt nächtens flanieren, legt ihnen der Hausherr nahe, und den Weg zur Burg Oberranna müssen sie gehen, und in Emmersdorf oder Aggsbach Dorf habe man die gesamte Ortsbeleuchtung umgestellt, das sei echt imponierend, und unbedingt müssen Sie um 2,- Euro die Venus von Willendorf erscheinen lassen. Gesehen haben müsse man das, wird er nicht müde ihnen zu wiederholen. Sie bedanken sich für den Tipp, auch wenn Sie diese „Nachttour“ ohnehin fix eingeplant hatten, denn das Lichtprojekt Wachau von Siegrun Appelt gehört sicher zu einer der interessantesten künstlerischen Arbeiten des letzten Jahrzehnts. Mit der Aufgabenstellung 15 Lichtpunkte in der Wachau unter dem Aspekt „Weniger Energie – mehr Qualität“ zu beleuchten, hat sie inspiriert durch die Arbeit in der Wachau ihr Projekt „Slowlight“ forciert und eine Vielzahl von best practice Beispielen umgesetzt. Ziel ihrer Arbeit ist es, der allgemeinen Lichtverschmutzung gegenzusteuern und Menschen davon zu überzeugen, sorgsamer bei der Verwendung von Licht zu sein. Jetzt, so weiß der Hausherr zu berichten, beginne man in der EU an einer Verordnung zu arbeiten, mit der man die Lichtverschmutzung und Energieverschwendung durch Beleuchtungen massiv reduzieren möchte. Einige Vertreter der EU wären erst vor einem Monat länger in der Wachau gewesen, haben mit Siegrun Appelt aber auch mit Bürgern aus der Region, mit seinem Nachbarn zum Beispiel geredet und zeigten sich offenbar sehr beeindruckt, so berichtet der Hausherr.
Weil der Hausherr gerade Zeit hat, fragen Sie ihn, wie Sie die Kirchen in St. Lorenz und St. Johann besuchen können und natürlich auch die älteste Pfarre des Tales St. Michael, die Sie im Internet auf www.kirchen-am-fluss.at entdeckt und angeschaut haben. Sie erfahren von einer Führung, über die Sie auch auf der Homepage gelesen haben, bedanken sich und freuen sich, dass die Inhalte der 2012 online gegangenen Seite immer noch aktualisiert werden.
Und dann müssen sie noch „unsere Neuen“ besuchen, erklärt ihnen der Hausherr und macht dazu ein ernstes Gesicht. Die Wachauer, so betont er, zeigen nämlich vor, wie man das macht mit der Integration. Leben, täte man hier miteinander, Teil würden hier die Fremden werden vom Ganzen. Und wenn sie sich anders kleiden, dann wird der Auftritt der Wachauer nur bunter, so erklärt ihnen der Hausherr fast trotzig, und wenn sie anderes kochen, dann wird das Speisenangebot nur vielfältiger, und wenn sie andere Religionen haben, helfen sie den Wachauern, wieder ihren eigenen Glauben zu finden, und wenn sie andere Sprachen sprechen, dann lernen die Wachauer mit jeder Begegnung etwas dazu. Da habe er selbst auch erst einmal umdenken müssen. Aber man hörte ja immer soviel Schlechtes über die Fremden! Aber nun höre er nicht mehr auf die, die über die Ausländer schimpfen, und er lese auch nicht mehr, was manche Zeitungen schreiben. Und überhaupt müsse man in Zeiten wie diesen, mit all den Klimaflüchtlingen und Wirtschaftskonflikten helfen. Wir säßen doch alle in einem Boot, so erklärt ihnen der Hausherr.
„Heimat Wachau“ hieße das Migrationsprojekts, in dessen Rahmen historische Ensemble in der Wachau von ortsansässigen Mandataren gemeinsam mit Menschen, die um Asyl in Österreich angesucht haben, saniert und in funktionierende Betriebsstätten, Geschäfte und Wohnhausanlagen verwandelt würden. Eine gesetzliche Neuregelung ermöglichte es, dass Asylwerber über dieses Projekt unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen inklusive Arbeitserlaubnis erhielten und so sehr schnell in der Wachau eine neue Heimat fanden. Gleichzeitig wäre es gelungen, der Abwanderung in den meisten Wachauorten entgegenzusteuern, Betreuung von öffentlichen Einrichtungen, Museen oder auch die Kinder- und Altenbetreuung zu verbessern, und überhaupt, so betont der Hausherr, wären dörfliche Strukturen in sich gestärkt und vielerorts mit neuem Leben erfüllt worden.
Dürnstein wäre, so ist sich der Hausherr sicher, heute ausgestorben, wenn sich nicht rund 100 griechische Flüchtlinge angesiedelt und die Altstadt mit neuem Leben erfüllt hätten. Die verstünden auch was vom Tourismus, und lachend fügt der Hausherr hinzu, dass sie sich nur mit dem „Mariandl“ singen noch schwer täten. Es klänge halt immer mehr nach Nana Mouskouri als nach Waltraud Haas. Aber wenn man bedenke, was die in den letzten fünf Jahren durchgemacht hätten, sei es ohnehin ein Wunder, dass sie noch sängen! Manche Wachauer, so gesteht der Hausherr, würden sich ja beschweren, dass man sich jetzt in Dürnstein wie auf Santorin vorkommen würde oder auf Naxos. Aber zum einen hätten all jene, die jetzt über die Griechen jammern, ja selber was machen können aus den alten Häusern in Dürnstein, und außerdem wäre man ja früher auf Urlaub nach Griechenland gefahren, weil man diese Stimmung so mochte, und nachdem das heute ja nicht mehr so ginge, habe man jetzt das Griechenland Feeling direkt vor der Haustür – ohne Gefahr zu laufen in Straßenschlachten zu geraten oder ausgeplündert zu werden, und das habe doch auch etwas für sich. Und zumindest hätten die Griechen nicht angefangen, den Grünen Veltliner zu harzen, nur die Wachauer Marillen hätten sie mit Baklava kombiniert, aber auch das müssten Sie unbedingt mal probieren, empfiehlt Ihnen der Hausherr – sei vielleicht etwas süß, aber vor allem die Touristen aus dem arabischen Raum könnten gar nicht genug davon kriegen.
Ein gutes Beispiel sei sicherlich auch ein Heuriger, dessen Besuch sie fix einplanen sollten. In Mitterarnsdorf habe ein Kasache mit seiner Familie ein altes, vom Zerfall bedrohtes barockes Ensemble liebevoll unter professioneller Anleitung hergerichtet, das 2013 vom Denkmalamt bereits aufgegeben war. Oder auch der Besuch einer Manufaktur wäre empfehlenswert, in der ein im Senegal gebürtiger Mann mit seiner von den Malediven stammenden Frau gemeinsam mit einem Arzt aus Bergern regionale Produkte für alternativmedizinische Behandlungen verarbeiten und in dem kleinen, an die Manufaktur angeschlossenen Laden verkaufen würden. Ja auch in der Wachau verkauften die Schwarzen Drogen, scherzt der Hausherr, und beweist über seinen Humor, dass er in den letzten Jahren einen weiten Weg zurück gelegt haben muss, um heute vieles von dem gut heißen zu können, von dem er ihnen soeben erzählt und vorgeschwärmt hat. Sesshaft zwar in der Wachau hatte er gemeinsam mit seinen Mitbürgern selbst eine Reise unternommen. Auf ein Umdenken in vielen Bereichen hatte er sich einlassen müssen, viele Veränderungen hatte er selbst für sein Leben akzeptieren und letztlich mittragen müssen. Großen Respekt verspüren sie vor dem Hausherren, ahnend wie schwer es ihnen selber in ihrem eigenen Umfeld fallen würde, so viele Neuerungen in so kurzer Zeit zuzulassen.
Doch bevor sie dem Hausherrn ihre Bewunderung mitteilen können, lässt er sie alleine – nicht ohne ihnen vorher noch einmal „auf Haus“ Wein nachgeschenkt zu haben. Genießen sollen sie schließlich ihren ersten Tag in der Wachau.
Sie schließen die Augen und erfreuen sich an der Stille des Gartens. Sie wissen, dass Sie eine Theatervorstellung in Melk besuchen werden und ein Konzert in Grafenegg. Sie haben vor, auf den Bauernmärkten in Mühldorf und Maria Laach einzukaufen, für die Literaturwanderung mit Rafik Shami haben sie ebenfalls bereits Karten, Schiff- und Bahnfahrt möchten Sie mit dem Lesen der Wachauanthologie „In 35km um die Welt“ aus dem Jahr 2016 verbinden, und Sie planen auch drei oder vier Etappen am Welterbesteig zu wandern, die Kartause Aggsbach und das Kloster Schönbühel wollen sie besuchen, Aggstein mit ihren wunderbaren Ausblicken und die Schallaburg mit ihrer Ausstellung und ihren liebevoll hergerichteten Burgräumlichkeiten wollen sie besichtigen – und allein für den Besuch der Documenta 14 haben Sie zwei Tage eingeplant.
Volles Programm für zwei Wochen – und doch: „Ich bin auf Reisen“, denken Sie und blinzeln in die Stille des Nachmittags. Und sich wirklich wie in dem vor einigen Jahren produzierten Wachau-Werbespot fühlend murmeln Sie den Slogan „Eins Werden – Mit Kunst, Kultur, Natur“. Und auch wenn Sie Werbebotschaften prinzipiell misstrauen – hier trifft die Botschaft irgendwie zu.